CSI-ÖSTERREICH HILFT VOR ORT IN PAKISTAN

In Pakistan werden unter missbräuchlicher Verwendung des Blasphemie-Gesetzes zahlreiche Christen verfolgt. Unsere Mitarbeiterin Diana Mihaiescu reiste nach Lahore. Dort sprach sie mit Gefangenen und deren Familien über ihre dramatischen Erlebnisse.

Ende 2017 führen mich die Arbeit bei CSI-Österreich und eine Einladung von Khalil Tahir Sindhu, des Ministers für religiöse Minderheiten, nach Pakistan. Mein erster Besuch gilt der St. Joseph Colony, einer christlichen Siedlung nahe eines beliebten Geschäftsviertels in Lahore. Im März 2013 hatte hier ein Mob tausender Muslime 160 Häuser und Wohnungen, 18 Geschäfte sowie zwei Kirchen in Brand gesetzt. 4500 Christen mussten alles verlassen, um ihr Leben zu retten.

Noch heute sind die Brandspuren zu sehen. Anlass war ein unbegründeter Blasphemie-Vorwurf. Sawan, Geschäftsmann und dreifacher Vater, soll im Gespräch mit einem Muslim den Propheten Mohammed beleidigt haben. Masih selbst und über 100 der Randalierer wurden festgenommen und angeklagt. Doch alle Brandstifter kamen im Jänner 2017 frei. Masih hingegen wurde zum Tode verurteilt. Die Berufung läuft. Doch was bringt das dem Vater, der sich trotz Gehstocks nur langsam bewegen kann? Seine Mutter sitzt schweigend in der Ecke, ist taub und bekommt nur wenig von unserem Gespräch mit. Sawan hatte die Familie finanziell getragen. Sie fühlen sich nun ohne Hoffnung und sind auf die geringen Tageslöhne eines anderen Sohnes angewiesen.

Gerüchte reichen für Verhaftung

Ashwaq, junger Vater einer 6-monatigen Tochter, besitzt eine Motorradwerkstatt. Nach der Reparatur eines Motorrads weigert sich ein Kunde, die vollen Kosten zu bezahlen, verlässt das Geschäft und verbreitet das Gerücht, der Christ Ashwaq hätte Blasphemie begangen.

Ashwag wird von einer Menge aufgebrachter Muslime zusammengeschlagen und verhaftet. „Als ich ihn zum ersten Mal im Gefängnis besuchte, wurde mir schlecht. Er hatte offene Wunden am Kopf“, erinnert sich seine Schwester. Daraufhin flüchtet die Frau von Ashwaq samt Kind zu ihren Eltern. Auch die restliche Familie muss vorübergehend fliehen. Wieder zurück, werden sie permanent bedroht. „Wir haben große Angst. Wir sind zwar zu Hause, halten uns aber von aller Öffentlichkeit fern. Wir versuchen nicht aufzufallen“, ergänzt Ashwags Schwester. Die Werkstatt wurde indes zugesperrt. Die Familie steht jetzt ohne Einkommen da.

CSI-Österreich Mitarbeiterin Diana Mihaiescu

Besuch im Gefängnis

Wir berichten oft von unschuldig inhaftierten Christen, doch hätte ich mir nie vorstellen können, einmal ein Gefängnis in Pakistan zu besuchen. Dort werden wir willkommen geheißen, was wohl an dem Minderheiten-Minister liegt, der uns begleitet. Denn auch ein christlicher Minister ist ein Vertreter des Staates, dem alle Ehren gebühren. So zeigt sich das doppelte Gesicht Pakistans: Einerseits ein demokratischer Staat mit funktionierendem Justizsystem, anderseits ein muslimischer Verfolgerstaat, in dem Christen von weiten Teilen der muslimischen Gesellschaft als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Nach einer langen Führung sperrt uns ein Wächter eine Zelle  auf. Zwei christliche Häftlinge kommen heraus. Der Minister fragt einen, wie es ihm geht. Dieser beginnt mit Tränen in den Augen zu zittern. Es ist der junge Ashwaq. Er berichtet von „ganz guten“ Haftbedingungen, aber er vermisst seine Familie und hat Angst, dass ihr etwas zustößt. Der Minister versichert ihm, für seine Verwandten zu sorgen und als Anwalt seinen Fall zu übernehmen. Bei meinem Besuch hat das Gefängnis einen positiven Eindruck hinterlassen. Doch wie sieht der Alltag aus, wenn kein hochoffizieller Besuch angekündigt ist? Der Minister bestätigt mir später, dass Ashwaq sicher geschlagen worden wäre, wenn er sich über die Haftbedingungen beschwert hätte.

Fest im Glauben an Christus trotz Gefängnis

In den kommenden Tagen treffe ich eine junge Frau, deren Bruder eine Blasphemie-Strafe absitzt. Sie traut sich nicht, ihrer Begabung als Schneiderin nachzugehen, da sie und ihre Familie seit dem Prozess in ein Schutzhaus des Ministers flüchten mussten. Ihr Schicksal berührt mich – eine Frau in meinem Alter, jeder Chance auf eine bessere Zukunft beraubt.

Ich besuche auch die Familie des inhaftierten Imran. „Er ist ein liebevoller Mann, der sich um vieles gekümmert hat“, schildert sein Vater, dessen Gesundheit sich seit Imrans Verhaftung verschlechtert hat. „Er hat nichts Falsches gemacht. Die Anklage war nur ein Vorwand aufgrund wirtschaftlicher Interessen“. Seine Mutter bricht in Tränen aus: „Wir können mit ihm nur durch eine Glaswand sprechen. Er fragt jedes Mal, welcher Tag es ist, da er das Zeitgefühl verloren hat. Trotz aller Schwierigkeiten im Gefängnis bleibt er treu im Glauben“. Auch Imrans Familie musste fliehen und anderswo Unterschlupf finden. Wird ein Familienmitglied der Blasphemie angeklagt, leiden alle, da kaum jemand mehr Arbeit findet. Der willkürliche Blasphemieverdacht zerstört das Leben ganzer Familien über Generationen hinweg.

Unsere Briefe kommen an!

Abschließend versichere ich nochmals unsere Unterstützung durch Gebete und Briefe. Auch ein ehemalig Inhaftierter erzählt uns: „Ja, wir haben eure Briefe erhalten“. Und plötzlich strahlt er. Das ist für mich die Bestätigung für unsere Arbeit und die Briefaktionen. Die Briefe kommen an. Sie schenken Freude und Hoffnung! Mit diesen erschütternden Eindrücken mache ich mich auf den Rückweg ins freie und sichere Österreich. Die von Gewalt und Terror getroffenen Familien, die ich kennenlernen durfte, nehme ich in Gedanken mit. Samt der Gewissheit, dass unser Einsatz für verfolgten Christen und für die Glaubensfreiheit jedes Menschen heute wichtiger ist als je zuvor. (DM)