Chaldäischer Patriarch öffnete Heilige Pforte in seiner Kathedrale in der irakischen Hauptstadt – Enttäuschung darüber, dass die muslimischen Geistlichen nicht auch zu einem „Jahr der Barmherzigkeit“ eingeladen haben
„Die Barmherzigkeit ist der Weg der Christen“: Dies betonte der chaldäisch-katholische Patriarch Mar Louis Raphael I. Sako bei der Öffnung der Heiligen Pforte in seiner Kathedrale in Bagdad. Die Kathedrale war heuer eigens restauriert worden, um an die Bedeutung des christlichen architektonischen Erbes für den Irak zu erinnern. „Eine Heilige Pforte zu öffnen, ist etwas Symbolisches“, sagte der Patriarch: „Es bedeutet, wegzukommen von dem, was wir hier durchmachen, und auf Erbarmen, Versöhnung, Vergebung zuzugehen. Wie es auch Papst Franziskus tut, müssen wir unsere Situation in diesem Sinn verstehen und die Ereignisse mit Glauben, Vertrauen und Hoffnung betrachten…Auch angesichts des Leids nehmen wir die Hand Gottes wahr, die uns retten wird“.
Louis Raphael I. Sako: „Mentalität der Rache tut nicht gut“
Enttäuscht zeigte sich der Patriarch über die Haltung der muslimischen religiösen Führungspersönlichkeiten im Irak. Mar Louis Raphael I. Sako hatte gehofft, dass auch sie eine Erklärung abgeben, damit es zu einem „Jahr der Barmherzigkeit“ für alle kommt, weil doch auch die Muslime Gott als „Allerbarmenden und Allbarmherzigen“ verehren und weil es „ohne Barmherzigkeit und Versöhnung keine Zukunft gibt“. Einige der führenden muslimischen Geistlichen hätten das auch verstanden, sagte der Patriarch. Daher habe er die Hoffnung gehabt, dass etwas gegen das „Krebsgeschwür von Fundamentalismus und Terrorismus“ getan wird, das den Irak und andere muslimisch dominierte Länder zerfrisst. Aber leider sei es zu keiner muslimischen Erklärung für ein „Jahr der Barmherzigkeit“ gekommen: „Es gibt eine furchtbare Mentalität der Rache. Das tut nicht gut“.
„Wir Christen haben nichts mehr, wir sind bedrängt!“
Schon vor einer Woche hatte der chaldäische Patriarch eine Heilige Pforte in Erbil geöffnet, der Hauptstadt der autonomen kurdischen Region im nördlichen Irak. Hier leben viele der Christen, die vor den IS-Terroristen geflohen sind, als diese Mosul und die Ninive-Ebene besetzten. Mar Louis Raphael I. Sako: „Die Christen des Irak sind mutig und hängen an ihrem Glauben! Wir sind wirklich stolz auf unser Volk. In einer einzigen Nacht haben mehr als 120.000 Menschen angesichts des Vorrückens der IS-Terroristen um ihres Glaubens willen alles verlassen; sie hätten ja zum Islam übertreten und in ihrer Heimat bleiben können. Aber nicht ein einziger ist geblieben, keiner ist übergetreten. Das ist ein Wunder!“
In dieser Woche will Patriarch Sako ein Camp mit christlichen Flüchtlingen in Bagdad besuchen, um dort die Messe zu feiern. „Es gibt in Bagdad 1.000 Flüchtlingsfamilien. Sie haben da jetzt eine kleine Kapelle im Lager; da werde ich auch für sie eine Heilige Pforte öffnen und sie alle zum Essen einladen, um ihnen etwas Mut zu geben. Wir haben nichts mehr, wir sind bedrängt, aber nicht erdrückt!“ (rv/poi)