Frankfurt am Main (idea) – Die Proteste im Iran sind Ausdruck einer tiefen Enttäuschung der Bürger über das islamische Regime. Dieser Ansicht ist die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM/Frankfurt am Main). Bei den landesweiten Demonstrationen wurden bislang 21 Menschen getötet und laut der iranischen Nachrichtenagentur Ilna über 1.000 Personen festgenommen. In dem Land herrscht seit 1979 ein schiitisch-islamisches Regime. Laut IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin sind viele Bürger wütend, weil die vom Regime versprochenen wirtschaftlichen Verbesserungen nach dem erfolgreichen Abschluss des Atomabkommens 2015 nicht eingetreten seien. Das habe nun das Fass zum Überlaufen gebracht.
Nährboden für den Protest ist die islamische Diktatur
Der Nährboden für den Protest sei aber die islamische Diktatur unter dem nur mit schiitischen Muslimen besetzten Obersten Wächterrat: „Die Menschen wünschen sich Befreiung von dem absoluten Meinungsdiktat, das alle ethischen und religiösen Minderheiten unterdrückt. Der Volkszorn ist in weiten Teilen berechtigt.“ Auch Frauen lehnten den Islamischen Wächterrat ab, weil er ihnen die Gleichberechtigung verwehre. Er schließe sie – ebenso wie liberale Muslime – beispielsweise von der Präsidentenkandidatur aus. Intellektuelle kritisierten, dass der Wächterrat geisteswissenschaftliche Studienfächer an den Universitäten – etwa Philosophie – als unislamisch verbiete.
Zum Christentum übergetretene Muslime leiden besonders unter dem Regime
Laut Lessenthin haben die Proteste aktuell keine Auswirkungen für die Christen im Land. Aber sie gäben insbesondere den zum Christentum übergetretenen Muslimen Hoffnung, dass „die Ajatollahs nicht ewig herrschen werden“. Die Konvertiten litten sehr unter dem islamischen Regime. Wenn sie öffentlich über ihre Entscheidung redeten, würden sie staatlich verfolgt und müssten auch mit Verhaftung rechnen. Das betreffe auch andere religiöse Minderheiten, etwa Baha‘i, Sufis und Sunniten. Lessenthin warnte gleichzeitig vor zu hohen Erwartungen: „Sollte das iranische Regime stürzen, wird es weitere Unruhen und Machtkämpfe unter den ethischen und religiösen Gruppierungen geben.“ Er forderte die deutsche Regierung und die Wirtschaft auf, gegenüber dem Iran härter aufzutreten: „Wandel durch Handel funktioniert nicht. Alle Geschäfte mit dem Iran nutzen den Revolutionsgarden.“ Diese paramilitärischen Streitkräfte sind dem obersten Führer, Ajatollah Ali Chamenei, unterstellt. Deswegen sollte die wirtschaftliche Zusammenarbeit überprüft werden.
Berliner „Flüchtlingspfarrer“ Martens: Lasst uns für den Iran beten
Währenddessen ist die Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz wegen der Proteste in „großer Aufregung“, sagte ihr Pfarrer Gottfried Martens gegenüber idea. Der Geistliche setzt sich in seiner zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) gehörenden Gemeinde mit mehr als 1.600 Mitgliedern besonders für zum Christentum übergetretene Flüchtlinge ein. Er hat über 1.000 von ihnen getauft, vor allem Iraner und Afghanen. Viele demonstrierten nun fast täglich vor der iranischen Botschaft. Sie hätten eine „Riesenhoffnung“, sagte Martens, der selbst aber skeptischer ist: „Die Revolutionsgarden werden nicht aufgeben.“ Zudem würden Proteste zunehmend gewalttätig. Dadurch fühle sich die Regierung ermutigt, den Aufruhr brutal zu unterbinden: „Sie wird sich nicht scheuen, ihre Bürger massenweise zu töten.“ Er rief dazu auf, für den Iran zu beten. Seine Gemeinde werde etwa im Gottesdienst am Abend des 3. Januar in den Fürbitten auf Deutsch und Farsi für das Land eintreten: „Wir sollten die Hoffnung auf einen Wandel nicht aufgeben. Bei der DDR haben wir uns damals auch vertan und noch kurz vor der Friedlichen Revolution nicht mit einem Ende gerechnet.“ 95 Prozent der über 80 Millionen Einwohner des Iran gehören zum schiitischen Zweig des Islams, aber faktisch sind viele Agnostiker und Atheisten. Die Zahl der Christen liegt bei unter einem Prozent. Präsident ist Hassan Ruhani.