Vatikanvertreter Tomasi: Muslimische Migranten als Herausforderung
Genf – Die Ankunft von immer mehr muslimischen Flüchtlingen in Europa kann zur Herausforderung für die christliche und demokratische Identität des Kontinents werden. Das sagte Erzbischof Silvano Maria Tomasi (ständiger Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf, s. Foto ganz rechts) in einem Interview mit Radio Vatikan schon im vergangenen August, d. h. kurz vor der Massenemigration, die erst im September erfolgte.
Europa muss seine eigene christliche Identität
weiterhin bewahren
Die Irak-Invasion 2003 habe die Situation im Nahen Osten völlig destabilisiert, sodass so viele Menschen nun nach Europa flöhen. Man habe eine Pflicht, so Tomasi weiter, die Flüchtlinge aufzunehmen, aber Europa müsse auch die eigene christliche Identität wahren können. „Es gibt muslimische Migranten, die sich mit einem speziellen Problem konfrontiert sehen: Sie können die Trennung von Religion und Politik, von Kirche und Staat, nicht annehmen. Das hat einen direkten Einfluss auf den Integrationsprozess. Wir müssen ihnen von Anfang an klar vermitteln, dass es Grundwerte gibt, die akzeptiert werden müssen. Dazu gehört die Wahrung des Pluralismus in unserer Gesellschaft, die Trennung von Politik und Religion und die Akzeptanz normaler demokratischer Prozesse, sodass ein friedliches, konstruktives Zusammenleben möglich ist, und die Menschen, die kommen, Teil der Gesellschaft werden und sie bereichern.“
Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden der Christen im Nahen Osten
Zudem beklagt Tomasi eine ausgeprägte Gleichgültigkeit gegenüber der Christenverfolgung im Nahen Osten. Abgesehen von Papst Franziskus, der immer wieder an das Leiden erinnere, werde das Geschehen auf inter-
nationaler Bühne ignoriert. „Christen sind die am meisten verfolgte religiöse Gruppe in der Welt. Der Westen scheint aber gegenüber dem Leiden der Christen gleichgültig zu sein. Als ob die Menschenrechte der Christen nicht den gleichen Wert wie jene Andersgläubiger hätten. Diese Situation ist nicht akzeptabel. Wir müssen kontinuierlich darauf pochen, eine öffentliche Meinung hervorzubringen, die es schließlich schafft darauf zu drängen, zu handeln und eine politische Lösung zu finden, Konfliktparteien, verschiedene Volksstämme und andere Interessensgruppen an einen Tisch bringen“ betont der Erzbischof mit Nachdruck. „Nur so könne man das soziale und politische Leben in Ländern wie zum Beispiel Libyen wieder normalisieren. Damit Vereinbarungen eingehalten werden, kann es auch sinnvoll sein, militärische Präsenz der Vereinten Nationen zu zeigen“, so Tomasi abschließend. (rv)
Erzbischof Silvano Maria Tomasi, ständiger Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen:
„Es gibt im Westen Grundwerte, die von allen Flüchtlingen akzeptiert werden müssen“