Interview mit Patriarch Ignatius Ephräm II.

Heiligkeit, Sie haben sich entschieden, in Damaskus zu leben?

Ja. Ich habe mich auch dafür entschieden, den Sitz des Patriarchats wieder in die Altstadt von Damaskus zu verlegen. So kann ich den Gläubigen nahe sein, mit ihnen leben und ihre Wünsche und Hoffnungen teilen.

Gibt es Hoffnung auf eine Rückkehr der Christen?

Ich hoffe sehr auf ihre Rückkehr, aber realistisch gesehen werden wohl nicht mehr als fünf bis zehn Prozent zurückkommen.

In Qamischli gab es einen Mordanschlag auf Sie?

Ich sehe das nicht als einen persönlichen Angriff gegen mich, sondern gegen unsere christliche Präsenz. Gewisse Kräfte wollen die Menschen dazu bringen, das Land zu verlassen.

Sie haben keine Angst?

Ich fühle keine Angst. Das Risiko dafür, einen solchen Anschlag zu erleben, ist für mich höher als für andere Christen, weil ich die Hoffnungen und Sehnsüchte der Menschen repräsentiere. Wenn wir aber der Angst erlauben, die Macht über uns zu ergreifen, werden die Terroristen siegen.

Sie haben die Politik Ungarns wegen der Hilfe für die Christen im Nahen Osten gewürdigt. Auf der anderen Seite wird Ungarn immer wieder für seinen Umgang mit Flüchtlingen kritisiert. Wie sehen Sie das?

Der entscheidende Punkt ist, dass Ungarn nicht nur redet, sondern auch handelt. Ungarn versucht, über die lokalen Kirchen im Nahen Osten zu helfen, im Unterschied zu vielen andern Staaten. Deren sogenannte „politische Korrektheit“ führt nur zu neuen Ungerechtigkeiten. Ein Resultat der Trennung von Kirche und Staat besteht darin, dass staatliche Behörden nicht mehr mit der Kirche zusammenarbeiten können, weil das nicht mehr erlaubt ist. Ungarn hat mit vielen Vorgaben gebrochen, zu unserem Vorteil und zum Wohl für sehr viele Menschen, die im Nahen Osten leiden; vor allem Christen, die oft diskriminiert werden. Ungarn hat sich klar auf die Seite der benachteiligten Christen gestellt. Ich hoffe und bete, dass auch andere Staaten dem Beispiel dieses Landes folgen.

Organisationen, die den Christen im Nahen Osten helfen, stehen in der Kritik, dass sie allen Menschen helfen sollten.

Man muss den Leuten im Westen erklären, dass die Christen bzw. Kirchen, denen Hilfe zugutekommt, auch den Muslimen helfen. Wenn man aber Spenden etwa nur in Flüchtlingslager schickt, dann wird man damit in der Regel nicht einem einzigen Christen helfen, denn dort gibt es keine. Wenn man darüber hinaus auch Christen helfen möchte, führt der Weg dazu nur über die lokalen Kirchen vor Ort.

 

Österreich könnte durch seine Neutralität eine wichtige Rolle im Syrienkonflikt spielen, um zwischen unterschiedlichen Positionen zu vermitteln. Wir würden ein stärkeres Engagement Österreichs sehr begrüßen.

Sie waren schon öfters in Österreich. Wie beurteilen Sie die Situation der Kirche bzw. ihrer Gläubigen vor Ort?

In Österreich gibt es jetzt schon seit einigen Jahrzehnten Mitglieder unserer Tradition. Wir sind hier gut integriert und dankbar für die offene Aufnahme in Ihrem Land.

Ihre Wünsche an die österreichische Bevölkerung?

Die Österreicher sollten sich darüber bewusst sein, wie unterschiedlich die Ansichten und Einstellungen der Flüchtlinge sind. Viele muslimische Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sind zweifellos friedliebende Gemäßigte, doch eben nicht alle. Ich will die Menschen in Österreich ermutigen, ihren christlichen Glauben wieder stärker zu entdecken und diesen Glauben auch offen zu zeigen, anstatt sich dafür zu schämen.

Heiligkeit, haben Sie herzlichen Dank für das Interview!