„Wir möchten alle Menschen zum Dialog bekehren!“
Herr Generalsekretär, was möchten Sie mit dem Dialogzentrum kurzfristig erreichen?
Faisal Bin A. Bin Muaammar: Wir wollen mit unserem Bildungsprogramm vor allem psychologische Schranken, die zwischen Muslimen, Christen, Juden und anderen Gläubigen herrschen, durchbrechen, damit überhaupt erst die Basis für ein gegenseitiges Vertrauen auf menschlicher Ebene geschaffen werden kann.
Setzen Sie sich in Ihrer Arbeit auch mit Christen in
Ihrem Land auseinander?
Ja, das ist auch ein Thema. Wir nehmen christliche, wie jüdische Minderheiten in unserer Region genauso unter die Lupe wie auch die Konflikte zwischen den Rohingya-Muslimen und Buddhisten in Myanmar oder die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen in Nigeria. Ist für Sie die Religionsfreiheit ein unverzichtbarer Teil der Menschenrechte – wie sie in der U.N.-Charta von 1948 verankert ist?
Für mich ist Religionsfreiheit ganz wichtig und ich glaube daran. Doch die Vereinten Nationen sind eine politische Organisation. Wir, im Dialogzentrum, sind unabhängig und führen Oberhäupter aus den verschiedensten Religionen zusammen.
Wenn Sie für Religionsfreiheit sind, kommen wir dann auf die vorhin erwähnten christlichen Minderheiten in Saudi-Arabien zurück: Dort leben rund drei Millionen Christen, die meisten davon sind Gastarbeiter aus den Philippinen. Warum haben diese Menschen kein Recht auf einen Andachtsort? Saudi-Arabien ist heute das einzige Land im Mittleren Osten, in dem es verboten ist, Kirchen zu bauen…
Ich darf mich nicht in die inneren Angelegenheiten meines Landes einmischen. Mein Job ist es, in Wien Menschen an einen Dialogtisch zusammenzubringen.
Und sich auch mit diesem Problem auseinander-zusetzen?
Kirchen bauen ist ein wichtiges Thema, doch meine Arbeit ist es, hierzulande den Dialog voranzutreiben. Nicht sich gegenseitig Vorwürfe zu machen.
Ich beschuldige Sie nicht persönlich, ich finde es nur legitim, daß Christen, Juden und gläubige Hindus ein Recht auf ihre Bethäuser haben. Wäre das nicht die
Voraussetzung schlechthin für einen gegenseitig befruchtenden Dialog?
Jeder Muslime möchte Andachtsorte für Andersgläubige unterstützen. Doch ich bin kein Experte auf diesem Gebiet.
Wie ist dann Ihre ganz persönliche Meinung dazu?
Meine persönliche Meinung ist jetzt nicht das Thema. Derzeit haben wir in Saudi-Arabien ganz andere, viel gravierendere Probleme. Wir werden regelrecht mit Gastarbeitern überflutet, die zum Teil mehr Geld als die Einheimischen verdienen. (Von einer Bevölkerungszahl von 27 Millionen Menschen sind rund ein Drittel Einwanderer, davon 1,5 Mio illegal im Land, Anm.) Wenn das so weiter geht, werden wir Saudis bald eine Minderheit werden. Das schürt erhebliche Konflikte unter den Einheimischen.
Dieses Problem führt uns jetzt zu weit vom eigentlichen Thema weg. Die Christen haben in Ihrem Land kein Recht auf ihre Kirchen, sie werden sogar verfolgt, wenn sie öffentlich beten…
Jegliche Art von Verfolgung ist scheußlich. Keine Religion wird das befürworten. Wir würden am liebsten alle Menschen zum Dialog bekehren – so wie es uns auch Papst Franziskus täglich vor Augen führt!
Kennen Sie ihn persönlich?
Ja, ich habe ihn vor zwei Wochen im Rahmen einer größeren Audienz in Rom getroffen: Eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die den Dialog – gepaart mit Demut – auf exemplarische Weise vorlebt. Ich möchte ihn bald wiedersehen – am liebsten in einem Vieraugengespräch!
Faisal Bin-Muaammar verabschiedet sich von der CSI-Sprecherin mit den Worten: „Keep smiling – be positive!“
* (King Abdullah Bin Abdulaziz International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue“)
Hintergrundinformation
Das Interview fand im Anschluss an eine Pressekonferenz des KAICIID am 12. November 2013 in Wien statt. Bei der Pressekonferenz ging es um einen Rückblick über das erste Tätigkeitsjahr des Zentrums (Details unter: www.kaiciid.org) sowie über die Ankündigung der in Wien am 18.-19. November 2013 inzwischen stattgefundenen „Global Forum“-Dialogkonferenz zum Thema: “Das Bild des Anderen“ (The Image of the Other). An dieser Tagung nahmen mehr als 500 Religionsvertreter und Bildungsexperten aus 95 Ländern teil.
In den darauffolgenden zwei Tagen fand nahtlos am selben Ort im Hilton Hotel unter dem Motto „Willkommenheißen des Anderen“ (Welcome the Other) ein mehrtägiges Großevent „Religions for Peace“ mit ebenso zahlreichen Vertretern der Weltreligionen statt, ebenfalls vom KAICIID mitfinanziert. Im Mittelpunkt stand hier Konfliktvermeidung.
„Vienna Declaration“: Scharfe Verurteilung religiösen Extremismus
Diese Konferenz verabschiedete eine sog. “Vienna Declaration”, in der religiöser Extremismus scharf verurteilt und Religionsfreiheit gefordert wird. (“Religions for Peace” wurde 1970 gegründet und ist von der UNO als Nichtregierungsorganisation anerkannt, Anm.)
„Das Baby KAICIID beginnt erst zu laufen…“
Kommentar von Pia de Simony zum Interview
Dieses Interview wurde hinter vorgehaltener Hand vom KAICIID als „einseitig“ empfunden. Das Gespräch war als solches auch nicht vorgesehen – etliche Fragen hätte ich dem saudiarabischen Generalsekretär noch über sein Heimatland stellen wollen. Doch die wichtigste, die vielen von uns im Westen unter den Nägeln brennt ist: Warum erlaubt sein Staat den Millionen Christen nicht einen Versammlungsort zum Beten? Auf diese brennende Frage ging er nicht ein. Immer wieder musste ich sie ihm anders stellen und bekam leider nur ausweichende Antworten. Die Einseitigkeit entstand wegen der Hartnäckigkeit meiner Fragen, die um dieses wesentliche Thema kreisten.
Wie ernst ist dann ein echter Dialog auf gleicher Augenhöhe mit allen Religionen von Saudi-Arabien gewollt, wenn diese wichtige Grundvoraussetzung fehlt? Wenn wir den Muslimen hierzulande zu Recht ermöglichen, ihre Moscheen zu bauen, warum ist es nicht genauso selbstverständlich, den Christen in Saudi-Arabien einen Gebetsraum zu erlauben? Kurienkardinal Jean-Louis Tauran (Präsident des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog, Anm.) antwortete mir darauf, dass das gesamte saudiarabische Territorium für alle Muslime heilig sei. Dann müsse aber, seiner Meinung nach, auch die Frage erlaubt sein, warum man dort nicht auch Christen einen heiligen Ort für sich gewähren könnte. Diese Situation könnten jetzt die aufgeschlosseneren muslimischen Religionsführer ändern…
Wenn das unverbindliche Wörtchen „könnte“ nicht wäre – doch wo bleibt es mit konkreten Taten? KAICIID hat für
CSI-Österreich als Dialogpartner in puncto Religionsfreiheit zunächst enttäuscht, weil seit der Gründung des Wiener Zentrums im November 2012 in dieser Hinsicht in Saudi-Arabien nichts geschehen ist. Dennoch wartet CSI Österreich für eine fundierte Bewertung ab. Wie sagte Kardinal Tauran während der Wiener Global Forum-Tagung? „Das Baby KAICIID beginnt erst zu laufen, man muss es unterstützen.“ CSI-Österreich steht als konstruktiver Partner bereit. Doch der gute Wille zum Dialog darf niemals missbraucht werden, um Missstände etwa in Saudiarabien unter den Teppich zu kehren. Die Ansprüche auf Wahrung der Religionsfreiheit in der Arbeit des Instituts, das sich auf König Abdullah beruft, müssen auch im Regierungsland des Monarchen ernsthaft Widerhall finden. Worten müssen nun greifbare Taten des Dialogs folgen: In den Gründungsländern des Instituts (Saudi-Arabien, Österreich, Spanien) ebenso wie in der Arbeit des KAICIID selbst. CSI-Österreich scheut sich nicht, auch unbequeme Fragen zu stellen. Allmählich beginnen auch Politik und Medien, sich mit diesen ernsthaft auseinanderzusetzen. Es ist höchste Zeit. Es geht inzwischen um das nackte Überleben der Christen im Nahen Osten!