Kardinal Christoph Schönborn im Gespräch mit CSI-Sprecherin Pia de Simony
Was hat die römisch-katholische Kirche für die gebeutelten Christen im Nahen Osten konkret getan?
Diese Frage kann ich so nicht global beantworten. Ich kann nur von einer kleinen finanziellen Hilfe in einem irakischen Kinderspital in der Stadt Basra berichten, an der ich selber mit dem chaldäischen Erzbischof beteiligt war. Die militärische Entwicklung hat aber dann dazu geführt, dass Basra inzwischen praktisch christenlos ist. Der damalige dort amtierende Erzbischof Kassab ist 2006, notgedrungen, mit seinen Gläubigen nach Australien ausgewandert. Das ist ein Symptom für die Tragödie der Christen im Irak.
Was würden Sie den Christen im Irak empfehlen: ihre Heimat zu verlassen oder auszuharren im Land?
Wir, die wir in Freiheit leben können, können gar nichts empfehlen. Wir können nur beten und dort, wo es nur geht, unsere Solidarität bezeugen. Ich verstehe jeden irakischen Christen, der in dieser Situation sagt, ihre Kinder hätten dort keine Zukunft. Auf der anderen Seite verstehe ich auch die Bischöfe und Leute aus der Regierung, die flehend die Christen auffordern zu bleiben. Wir können nur signalisieren: „Wir sind bei Euch, wir unterstützen Eure Anliegen, auch auf der politischen Ebene.“
Abt Gabriel, der mit Ihnen jetzt den Schweigemarsch anführt, sagt: „Wir Christen im Irak haben weder die Chance noch die Macht irgendetwas im Land durchzusetzen. Das könnt nur Ihr Christen in Europa.“ Sehen Sie das auch so?
Das stimmt nur teilweise. Die europäischen Staaten und die Christen in Europa könnten sie durch klare Initiativen wie diese hier (Schweigemarsch, Anm.) schon
unterstützen. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass die Mächte, die dieser Irak-Krieg entfesselt hat – vor dem der Papst in allerschärfsten Tönen gewarnt hat, ihn nicht zu führen –die Lage so verändert hat, dass es wahrscheinlich zu einer Dreiteilung des Landes kommen wird. Die Verlierer wären dann, auf allen Ebenen, die Christen. Das ist die Tragödie eines völlig unnötigen Krieges, der auf Lügenbasis begonnen wurde wegen angeblicher Massenvernichtungswaffen, die es nie gegeben hat.
Was können wir Christen in Europa von unseren verfolgten Mitbrüdern und-schwestern im Nahen Osten lernen?
Mut, Treue und die Erinnerung daran, dass Christsein oft ein lebensgefährliches Bekenntnis ist. Sie fordern uns wirklich sehr zur Solidarität heraus. Darum ist dieser CSI-Schweigemarsch auch ein wichtiges Zeichen!
Wie sehr nützt unser stiller Protestzug den dortigen Christen?
Es ist ein kleines Pflänzchen. Doch jeder große Baum hat einmal als zartes Pflänzchen begonnen…
Danke für diesen kurzen optimistischen Ausblick!