Paris – Der Vizepräsident der Imame Frankreichs ist wenige Stunden nach dem blutigen Attentat von Nizza zurückgetreten. „Inzwischen ist es schwer, den Islam vom Islamismus zu unterscheiden.“ Mit dieser Begründung gab Hocine Drouiche, der Imam von Nîmes (Provence), unverzüglich seinen Rücktritt bekannt.
„Ich gebe meinen Rücktritt und meine Ablehnung dieser inkompetenten Institutionen bekannt, die nichts für den sozialen Frieden tun und ständig wiederholen, dass es keinen Extremismus gibt. Ich hoffe, dass in den Moscheen jetzt über das Attentat gesprochen wird und nicht über Dinge, die nichts damit zu tun haben.“ Mit diesen klaren Worten teilte der muslimische Geistliche und Kandidat für den Posten des Imams an der Großen Moschee von Paris, der Öffentlichkeit mit, dass er alle Ämter in der Französischen Imamenkonferenz und im Französischen Kultusrat der Muslime (Conseil français du culte musulman) mit sofortiger Wirkung niederlegt.
Bereits nach dem verheerenden Terroranschlag auf die Konzerthalle Bataclan in Paris im November 2015 sagte Drouiche, die islamische Gemeinschaft in Europa müsse sich bewußt werden, dass der islamische Extremismus in ihre Reihen eingedrungen sei.
Seitens der Muslime ist kaum eine Lösung für das Problem der Radikalisierung in Sicht
„Wir müssen die Wahrheit sagen“, so der Imam damals gegenüber der italienischen Tageszeitung Il Foglio. „Von den Muslimen ist kein wirklicher Einsatz gekommen, um eine Lösung für das große Problem der Radikalisierung und des Hasses zu finden. Ich hoffe, dass die Ereignisse von Paris die Muslime in Frankreich und in ganz Europa aufwecken, um unser Zusammenleben und die Zukunft unserer Gesellschaften zu retten.“ Das war vor acht Monaten. Seither befindet sich Frankreich im Ausnahmezustand.
Der Hass als Wesensmerkmal
Die Muslime in Frankreich und in ganz Europa sind offensichtlich nicht aufgewacht, wie das Attentat von Nizza und die Reaktion von Imam Drouiche zeigen. Bereits im Vorjahr legte er den „Kern des Problems“ aus seiner Sicht dar:
„Der Haß ist zum Wesensmerkmal des innerislamischen Diskurses geworden, besonders in Europa, um auf diese Weise junge Muslime gegen den Westen mobilisieren zu können.“
Erst vor wenigen Tagen, nach dem Attentat des sog. Islamischen Staates (IS) auf ein Restaurant in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesh, hatte Drouiche gesagt:
„Wir haben immer gedacht, dass der Terrorismus im Irak und in Afghanistan als eine Reaktion auf die Politik der Regierung Bush entstanden ist. Der Arabische Frühling hat aber mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass das Problem des Islamismus mit der theologischen und rechtlichen Krise des Islam zusammenhängt.“ (Il Foglio/kath. Info)
„Die Angst vor dem Islam ist vollkommen berechtigt. Im Namen dieser Religion werden die schrecklichsten Verbrechen begangen. Im Namen dieser Religion geschieht derzeit eine ungeheure Barbarei. Wenn die Menschen Angst vor dem Islam haben, so ist das völlig normal. Auch wenn ich kein Muslim wäre, würde ich mich fragen, was das für eine Religion ist, auf die sich Verbrecher berufen.“
Soheib Bencheikh – reformorientierter Großmufti von Marseille (1961 in Saudi-Arabien geb.)