Imame widersprechen der Radikalisierung

Quelle: Wikipedia

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Jahrzehnte lang galt das islamisch dominierte Indonesien als Beispiel für funktionierende Religionsfreiheit und gesellschaftliche Toleranz. Die Einführung der Scharia in der Provinz Aceh sowie sich häufende Übergriffe – vor allem gegen Christen – wecken die Angst vor zunehmender Radikalisierung.

Droht dem weltweit größten Inselstaat Indonesien eine weitere Radikalisierung des Islam mit zunehmender Christenverfolgung? Die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate nähren diese Befürchtungen. Seit Anfang November marschierten nach dem traditionellen Freitagsgebet Zehntausende – teilweise gewalttätige – Demonstranten durch die Hauptstadt Jakarta zum Präsidentenpalast. Gefordert wurden die Absetzung und Verhaftung des Gouverneurs Basuki Tjahaja Purnama (i. Bild), kurz ‚Ahok‘ genannt, der den Islam beleidigt haben soll. Zu den Protesten aufgerufen hatte zuvor die radikale Organisation ‚Islamic Defenders Front‘, die gegen den Gouverneur sogar Morddrohungen richtete.

Der bekennende Christ Ahok genießt trotz seiner chinesischstämmigen Herkunft hohes Ansehen in der Bevölkerung und hat gute Chancen, im Februar 2017 wiedergewählt zu werden. Bereits 2014 gegen den Widerstand radikaler Moslems zum Gouverneur gewählt, gilt der Reformer als Kämpfer gegen Korruption und Intoleranz.

Ermittlungen wegen Blasphemie – gemässigte Imame widersprechen
Auslöser des Aufruhrs war eine Rede Ahoks Ende September, in der er die 51. Sure des Korans hinterfragte, die es Muslimen angeblich verbietet, Nicht-Muslime zu wählen. Die Wähler bräuchten sich nicht unbehaglich zu fühlen, falls sie nicht für ihn stimmten aus Angst, in die Hölle zu kommen. Denn sie würden getäuscht, wurde der Gouverneur zitiert. Trotz mehrfacher Entschuldigungen ermittelt die Polizei nun gegen ihn wegen möglicher Blasphemie. Mittlerweile haben sich auch gemäßigte Muslimführer zu Wort gemeldet und die gegen Ahok erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Sie seien ‚aus politischen Gründen fabriziert worden‘, heißt es in einer Erklärung.

Christenverfolgung wird zum Alltag
Im weltweit größten muslimischen Land Indonesien war die Gesellschaft über Jahrzehnte für seine religiöse Toleranz bekannt. Moderaten politischen Kräften ist es etwa zu verdanken, dass der in Teilen Ostindonesiens wütende Konflikt zwischen Christen und Muslimen mit Tausenden Toten nicht die Hauptinseln Java und Sumatra erfasste. Verantwortlich dafür zeichnete damals die islamische Masyumipartei, die sich mit den beiden christlichen und einer sozialdemokratischen Partei erfolgreich für ein demokratisches Indonesien einsetzte. Dieses demokratische Selbstverständnis scheint langsam zu schwinden. Denn trotz weitgehender, sogar in der Verfassung verankerter, Religionsfreiheit, häufen sich gewalttätige Übergriffe gegen Minderheiten. Vor allem Christen muslimischer Herkunft (Konvertiten) sowie Mitglieder protestantischer Freikirchen sind betroffen.

Seit der Öffnung des Landes im Jahr 1998 verschaffen sich neben Demokraten auch Extremisten Gehör und Zuspruch. Dazu zählt die bereits erwähnte ‚Islamische Verteidigungsfront‘, die sogar den Schutz von Polizei und Militär genießen soll.

Provinz Aceh: Einführung der Scharìa schon 2003
Ein aktuelles Beispiel für zunehmende islamische Radikalisierung ist die Provinz Aceh an der Nordwestspitze der Insel Sumatra. Seit Jahrhunderten um Unabhängigkeit ringend, wurde im Jahr 2005 weitgehende Autonomie erreicht.
In Sachen Religionsfreiheit gab es allerdings einen herben Rückschritt. Bereits im März 2003 wurde in Aceh das islamische Recht der Scharia eingeführt – als bisher einziger Provinz in ganz Indonesien. Seitdem gibt es in Aceh laufend Repressionen gegen Frauen, unverheiratete Paare und Oppositionelle. Auch auf Christen wächst der Druck. Bereits 2012 wurden 17 Kirchengebäude geschlossen.

In Indonesien leben rund 260 Mio. Menschen. Mit ungefähr 200 Millionen Muslimen beheimatet der weltgrößte Inselstaat zugleich die größte muslimische Bevölkerung der Welt. Etwa neun Prozent der Einwohner bekennen sich zum Christentum. (dw.com/afp/rtr/epd/dpa)