Über dieses brisante Thema referierten Experten aus dem In- und Ausland bei der Jahrestagung der ICO (Initiative Christlicher Orient) in Salzburg Ende September 2012.
Die Hauptproblemfelder für den Nahen Osten seien – nach einhelliger Meinung aller Teilnehmer – der nach wie vor bestehende Israel-Palästina-Konflikt, das iranische Atomprogramm sowie die Gefahr der territorialen Abspaltung von Ländern wie Irak, Syrien oder auch Libyen. Die dortigen Christen – wichtiger Teil der arabischen Avantgarde – fühlten sich bedroht und ungeschützt, viele unter ihnen denken weiterhin an Auswanderung. Daher gehöre auch die Sicherheitsfrage dringend gelöst. Ein großes Problem der orientalischen Welt sei in erster Linie ihre mangelnde Erfahrung mit der demokratischen Wirklichkeit. Bleibender Sprengstoff stelle ebenfalls das dramatische Bevölkerungswachstum dar. Und: Der arabische Aufstand hätte ohne die weltumspannende digitale Revolution nicht stattfinden können.
Hier eine Auslese der wichtigsten Aussagen von zwei prominenten Tagungsteilnehmern:
Der irakisch-chaldäische Erzbischof Louis Sako aus Kirkuk:
In den arabischen Ländern brauchen wir dringend eine für alle zugänglichere theologische Sprache, damit diese von den Christen, aber ebenso von den Muslimen, leichter verstanden werden kann. Das Nichtverstehen unserer christlichen Theologie hat im Orient zu Irreführungen und Missverständnissen geführt. Wir können auch den Muslimen helfen, ihren Koran mit zeitgemäßen Übersetzungen besser zu verstehen. Die Muslime verstehen unter „Revolution und Demokratie“ eine Theokratie.
„Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht!“ (zitiert aus dem 2. Korintherbrief (4, Vers 8)
Patriarch der mit Rom unierten Melkiten, Gregorios III. Laham aus Damaskus:
An vielen Orten Syriens leben wir derzeit täglich mit Bomben über unseren Köpfen. Es ist ein Krieg, in dem es um die Macht im Land geht und nicht um Demokratie und Freiheit. Mehr Demokratie als es bei uns bis 2011 gegeben hat, kann man in der arabischen Welt gar nicht erreichen! Unsere Probleme können wir in Syrien nur mit der Stimme der Versöhnung – und keineswegs mit Waffen – lösen!
Die arabischen Länder haben eine Revolution ohne Vision und Evolution erlebt. Der Besuch des Papstes im Libanon war existentiell. Von dort aus hat der Heilige Vater eine starke Friedensbotschaft an die ganze arabische Welt geschickt – an Christen ebenso wie auch an Muslime! Ein Christ kann nur in den Ländern der Bibel bleiben, wenn er versteht, dass er als Licht, Salz und Sauerteig für 350 Millionen Menschen bleibt.
Anzahl der Flüchtlinge aus Syrien:
278.000 Syrer sind seit Ausbruch der Unruhen ins Ausland geflohen, darunter:
– 83.000 in die Türkei,
– 73.000 offiziell und
– 20.000 inoffiziell in den Libanon,
– 30.000 sogar in den krisengeschüttelten Irak (*)
Mehr als zwei Millionen Innenflüchtlinge in Syrien
(*) Syrien hatte seinerzeit, seit dem Sturz des irakischen Präsidenten Saddams 2003, rund 1 Million irakische Flüchtlinge aufgenommen!
Anders als die Irak-Flüchtlinge, wollen die aus Syrien geflohenen Menschen, nach Beendigung des Krieges in ihre Heimat zurückkehren. (Quelle: Nahostexperte Stefan Maier, Sept. 2012)