Der Patriarch der größten christlichen Minderheit im Irak erhebt seine Stimme. Er hat das Erstarken der Dschihadisten vor seiner Haustür miterlebt. Er kritisiert auch die westliche Interessenspolitik und warnt vor einem bedrohenden Unheil für die ganze Welt. Wir veröffentlichen hier vorab das Vorwort zum Buch von CSI-Sprecherin und Co-Autorin Pia de Simony.
„Wir haben dieses Jahr Weihnachten unter Tränen, schweigend, gefeiert …“ – so gab der chaldäische Patriarch aus Bagdad jüngst die verzweifelte Grundstimmung seiner Gläubigen wieder. Das Jahr 2015 sei für alle orientalischen Christen „eines der bisher schlimmsten“ gewesen. Diese werden in der Tat immer mehr schikaniert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt, zum Großteil des Landes vertrieben, wenn nicht gar ermordet. Im Weltverfolgungsindex rangiert der Irak inzwischen an zweiter Stelle. Ein Land, das von vielen als „Hölle“ beschrieben wird und dessen Schrecken damit noch immer nicht ganz ausgedrückt sind: Seitdem dort vielerorts der sogenannte „Islamische Staat“ sein Terrorregime errichtet hat, erleben die Einheimischen ein Grauen, das für die meisten von uns in der westlichen Welt trotz Nachrichten und Bildern nur schwer vorstellbar ist. Louis Raphaël Sako kennt dieses Grauen, er hat es aus nächster Nähe gesehen und sieht es noch immer – gestochen scharf.
Der Patriarch ist Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Kirche, der größten christlichen Minderheit im Irak. Er hat das Erstarken der Terroristen vor seiner Haustür miterlebt und die Welt schon vor Jahren vor den Gefahren dieser Entwicklung gewarnt. Gewarnt vor einem nicht enden wollenden Exodus, einer Auslöschung des Christentums und einer Vernichtung ihres jahrtausendealten kulturellen Erbes. Die Kirche, ja das christliche Abendland, ist ohne seine Wurzeln im Land zwischen Euphrat und Tigris nicht denkbar.
In diesem Buch wendet sich Sako an die zivilisierte Welt. Er verdeutlicht die Dramatik der Situation, die im Westen viel zu wenig Beachtung findet. Er macht klar, dass es nicht nur um den Untergang einer Religionsgruppe, sondern um etwas Existenzielles geht, das die gesamte Menschheit betrifft. Der Patriarch ist ein unerschrockener Mann, das hat er immer wieder bewiesen. So scheut er auch jetzt ehrliche Worte nicht, jetzt, wo die schwarzen Banner der Terrormiliz nicht mehr allzu weit weg von seinem Amtssitz in Bagdad wehen.
Seine Aussagen sind auch ein Hilferuf aus der Bedrängnis, ein persönliches und aufwühlendes Zeugnis – couragiert und konstruktiv zugleich. Es sind die Worte eines unermüdlichen Brückenbauers und profunden Kenners der muslimischen Mentalität. Als Oberhirte ist er ebenso für viele Muslime ein Vorbild – und für seine Gläubigen der letzte Rettungsanker. Der Patriarch ist eine wahrhaftige Stimme. Sie darf nicht länger überhört werden. Das Überleben der Christen steht auf dem Spiel. Er benennt offen die Gründe für den Erfolg des „IS“ und kritisiert gleichzeitig die westliche Interessenpolitik. Er spricht von Genozid und dem Mord an Christen sowie anderen religiösen Minderheiten und fordert ein militärisches Eingreifen, konkret den massiven Einsatz von Bodentruppen. Es ist eine ernsthafte Warnung vor einem noch größeren und alle bedrohenden Unheil für die ganze Welt.