Katholischer Priester: Irakische Regierung will Anzahl der Christen verringern

Im Irak hat der Provinzrat von Ninive die geplante Ansiedlung von 450 sunnitischen Familien in der Ninive-Ebene gestoppt. Er will damit religiöse Minderheiten in der Region vor Benachteiligung schützen. Das meldet der vatikanische Pressedienst Fides. Zum Hintergrund: Die Ninive-Ebene ist traditionell von religiösen Minderheiten wie Christen, Jesiden und den Schabaks – einer kleinen schiitisch-kurdischen Glaubensgemeinschaft – besiedelt. Seit den 70er Jahren strebt die irakische Regierung durch die gezielte Ansiedlung von Muslimen in der Region eine Verschiebung der religiösen Zusammensetzung zulasten der religiösen Minderheiten an. Die derzeitige irakische Verfassung verbietet diesen Kurs ausdrücklich. Dennoch autorisierte die irakische Zentralregierung die Ansiedlung der sunnitischen Familien. Laut Fides zielt die erzwungene Aussetzung dieses Vorhabens durch den Provinzrat darauf ab, Druck auf die Regierung in Bagdad auszuüben. Politiker der Ninive-Ebene wollen damit vermeiden, dass sich in der derzeitig instabilen Situation die Zusammensetzung der Bevölkerung in nachteiliger Weise für die dort lebenden religiösen Minderheiten verschiebt. So soll verhindert werden, dass diese in ihrer Heimat Nachteile erleiden oder sich gar zur Auswanderung gezwungen sehen. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung äußerte der katholische Priester des je zur Hälfte von Christen und Muslimen bewohnten Dorfes Bartella in der Ninive-Ebene (21 Kilometer östlich von Mossul), die irakische Zentralregierung wolle die Christen aus dem Land jagen. „Niemand tut irgendetwas, um uns hier zu halten.“ Ackerland werde über Nacht zu Bauland erklärt und Schiiten zugewiesen. So werde Schritt für Schritt versucht, die Christen in ihren Dörfern zu dezimieren.

In den vergangenen Jahrzehnten war die sunnitische Komponente in den nord-irakischen Regionen infolge der Maßnahmen zur demographischen Umkehr angewachsen, die vom Baath-Regime seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts verfolgt wurde. Die derzeitige Verfassung des Irak hat jegliche Politik als gesetzeswidrig erklärt, die auf dirigistische Weise die demographische Zusammensetzung der verschiedenen ethnischen und religiösen Gegenden verändern will.
Sowohl lokale als auch nationale Politiker, die aus der Ninive-Ebene stammen, haben ihre Absicht erklärt, alle Rechtsinstrumente zu nutzen – einschließlich Demonstrationen – um von der Regierung in Bagdad zu erwirken, dass Maßnahmen und Verfügungen vermieden werden,die am Ende den religösen Minderheitsgruppen auch in ihren herkömmlichen Siedlungen schaden und sie zur Abwanderung zwingen.

In der Ninive-Provinz ist eine langsame und nicht einfache Rückkehr zahlreicher christlicher Familien zu verzeichnen, die ab 2014 angesichts des Vormarschs der Daesh-Milizen ihre Häuser und Dörfer verlassen hatten. Vor weniger als einem Jahr hatte das chaldäische Patriarchat „den Versuch“ verurteilt, „ dass die anhaltenden öffentlichen Auseinandersetzungen und verborgenen Machenschaften negative Auswirkungen für die ursprüngliche Bevölkerung dieser Gegend“ habe. In der Zeit schien auch die Ninive-Ebene eine Art „umkämpfte Gegend“ zu sein, wobei es auch um geopolitische Interessen ging, wie z.B. die mögliche – bisher allerdings noch nicht gelungene Unabhängigkeitserklärung der autonomen Region des irakischen Kurdistan.

Quellen: Fides, idea