In der südpakistanischen Stadt Quetta gab es bei einem Bombenanschlag Anfang August rund 40 Todesopfer und mehr als 200 Verletzte. Der Sprengsatz explodierte vor einer Klinik, wo sich Anwälte und Journalisten zu einer spontanen Trauerfeier für Bilal Anwar Kasi versammelt hatten. Der Anwalt Kasi, Chef der Rechtsanwälte-Vereinigung der Provinz Balutschistan, war kurz zuvor erschossen worden. Die Hintergründe des Anschlags sind immer noch unklar, man vermutet die islamistische Terrororganisation Al-Qaida dahinter.
„Schulbücher haben immer eine islamistische Konnotation“
Immer wieder wird Pakistan von schweren Bombenattentaten erschüttert, zuletzt starben in Lahore über 70 Menschen. Die Radikalisierung, die Anstachelung zum Hass und zur Intoleranz auch gegen Nicht-Muslime beginnt schon in den Schulbüchern. Das erklärt uns Mobeen Shahid, Dozent für islamische Religion an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom.
Schulbücher, die religiösen Fanatismus fördern: Das ist das Ergebnis einer Studie der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Pakistan, die von der katholischen Bischofskonferenz gegründet wurde. Vom Staat abgesegnete Bildungspläne, die in den vier Provinzen des Landes verteilt werden, sind demnach zumindest mitverantwortlich für die Massengewalt und den religiösen Extremismus. Mobeen Shahid bestätigt das:
„In den staatlichen wie in den vom Staat anerkannten privaten Schulen gibt es die Pflicht, einen staatlichen Bildungsplan einzuhalten. Die Schulbücher, insbesondere jene der Geschichte Pakistans, aber auch die Bücher für andere Fächer, die nichts direkt mit Religion zu tun haben, etwa Biologie, Physik und andere, haben immer eine islamistische Konnotation: Sie sind geleitet von einer Ideologie, die die gegenwärtige fanatische Kultur in der Nation geschaffen hat.“
Gängige Behauptung: Der Westen will die Muslime unterdrücken
In den Büchern wird demnach zum Hass angeregt – nicht nur gegen religiöse Minderheiten, sondern vor allem auch gegen den Westen. Dabei spielt besonders die Kolonialzeit auf dem indischen Subkontinent eine wichtige Rolle, die als eine dunkle Ära für die islamische Bevölkerung dargestellt wird; die Engländer hätten die Muslime unterdrückt. Diese Erklärungsmuster würden auch heute noch auf Christen angewendet, erklärt der Islamexperte.
„Vor zwei Monaten hat die Regierung der Region Khyber Pakhtunkhwa Entwicklungsgelder für die religiösen Minderheiten gestrichen und sie einem Islamschullehrer gegeben, der auch den Anführer der islamistischen Terrororganisation Tehreek-e-Taliban unterrichtete. Der nächste Schritt besteht dann darin, zu behaupten, dass der Westen und die Christen die Muslime unterdrücken wollen. Das erzeugt eine allgemeine Haltung der Intoleranz und des Hasses auf den Westen, aber auch auf die Christen aus Pakistan selbst.“
Saudi-Arabien will islamische Führungsrolle auf der Welt übernehmen
Dieser Hass im mehrheitlich islamischen Pakistan war nicht immer so ausgeprägt. In den ersten 30 Jahren des Bestehens des Landes sei das Zusammenleben zwischen den Religionen viel friedlicher gewesen, so Shahid. Muslime machten besonders gerne Geschäfte mit Christen, weil diese als verlässlich galten. Seit den 70er Jahren allerdings, erläutert der Dozent, habe das Land mit der Ausbildung der Mudschahedin im Krieg in Afghanistan begonnen: „Von da an hielten Ideologien aus Saudi-Arabien Einzug ins Land, die von einer Kultur des Hasses gegen religiöse Minderheiten geprägt waren – mit dem Ziel, auch Pakistan noch stärker zu islamisieren, damit es auf der Welt ebenso eine Führungsrolle übernehmen könne.“ (rv)