Lahore – Khalil Tahir Sandhu (im Bild mit CSI-Generalsekretär Kuhn) ist Jurist und Minister für Menschenrechte und Minderheiten der pakistanischen Provinz Punjab. In beiden Funktionen setzt sich der mutige Katholik dafür ein, die Angehörigen der religiösen Minder-heiten im Land vor Diskriminierung zu schützen. Als Anwalt vertritt er u.a. die Christin Asia Bibi, die 2010 wegen Blasphemie (Gotteslästerung) zum Tode verurteilt wurde. Als Minister kämpft er dafür, dass in Punjab (mit 100 Millionen Einwohnern die mit Abstand größte Provinz Pakistans, Anm.) die Menschenrechte mehr Stellenwert bekommen. Khalil Tahir Sandhu hat CSI-Österreich in Wien besucht und folgendes Interview gegeben.
Wenn man von den Christen in Pakistan hört, dann wird meist sofort auch das Blasphemie-Gesetz in einem Atemzug genannt.
Das Blasphemie-Gesetz ist in der Tat eine der ganz großen Bedrohungen für die religiösen Minderheiten im Land. Die Menschen werden oft auf offener Straße umgebracht, weil viele das Gesetz in die eigenen Hände nehmen. Manchmal werden die Beschuldigten sogar bei lebendigem Leib verbrannt. Eines der Opfer war im vierten Monat schwanger. Oft wird das Blasphemie-Gesetz für absichtlich falsche Anschuldigungen missbraucht. Und das ist nicht nur in Punjab der Fall, sondern auch in vielen anderen Provinzen Pakistans.
War die Situation für die Christen und andere religiösen Minderheiten im Land schon immer so schlecht?
Die Situation hat sich seit den 1980er Jahren immer weiter verschlechtert. Damals führte die pakistanische Regierung die Scharia und viele diskriminierende Gesetze wie jenes über die Blasphemie ein. Eine Reihe solcher Bestimmungen fand auch den Weg in die Verfassung. Zuvor betrug die Höchststrafe für Blasphemie zwei Jahre Gefängnis, nun erwartet die Angeklagten die Todesstrafe.
Sie sind nicht nur Minister, sondern auch Anwalt.
Stimmt. Erst vor wenigen Wochen habe ich als Anwalt den Fall eines Christen übernommen. Aber ich verteidige auch Muslime. Die sind von dem Gesetz auch betroffen, denn es wird, wie ich schon sagte, sehr oft missbraucht. Mehr als 200 Menschen sitzen derzeit allein in Punjab wegen dieses Gesetzes im Gefängnis.
Das klingt perspektivenlos…
Es gibt immer Raum für Verbesserungen. Wir haben auch im Parlament viele Schritte unternommen und zum Beispiel ein Gesetz gegen Hassreden verabschiedet. Mit Gewalt kommen wir nicht weiter. Ich glaube an den Dialog, nicht an den Krieg.
Wie gehen Sie in Ihrer Arbeit vor?
Wir müssen sehr vorsichtig sein. Da nur 1,5 Prozent der pakistanischen Bevölkerung Christen sind, ist es schwierig, etwas an der Lage zu ändern. Umso wichtiger ist es, gute Kontakte zur Polizei und den muslimischen Gelehrten zu pflegen. Einige konnten wir auch schon davon überzeugen, dass dieses Gesetz letztlich auch gegen die Muslime selbst gerichtet ist.
Wir werden das Blasphemie-Gesetz wohl nicht abschaffen können, aber zumindest muss es gelingen, den Missbrauch einzudämmen. Mein Ministerium beschäftigt Anwälte in allen 36 Bezirken in Punjab. Wir kümmern uns vor allem auch um die arme und ungebildete Bevölkerung in den Slums und kämpfen, wo immer es geht, gegen die Diskriminierung an. Wir kämpfen nicht nur für die Christen, sondern ganz allgemein für mehr Menschlichkeit im Land.
Würde das Blasphemie-Gesetz abgeschafft, wären damit die Probleme für die religiösen Minderheiten beseitigt?
Leider nicht. Religiöse Minderheiten werden in Pakistan auch durch andere Gesetze diskriminiert. So muss zum Beispiel ein pakistanischer Politiker Muslim sein, wenn er Premierminister werden möchte. Das steht so in der Verfassung.
Wie stark sind die Taliban?
Sie sind in Pakistan und Afghanistan immer noch sehr stark. Ohne internationale Hilfe können wir sie nicht besiegen. Die Taliban machen vor nichts Halt. Auch nicht vor Kindern. Erinnern Sie sich daran, dass vor ca. drei Jahren bei einem Anschlag auf eine Schule 140 unschuldige Menschen – die Mehrzahl davon Schülerinnen und Schüler – ermordet wurden. Es gibt keine guten oder bösen Taliban. Ein Taliban ist ein Taliban. Es ist ihnen egal, ob sie Muslime, Christen oder Hindus töten.
Sie wurden auch selbst schon zum Ziel der Taliban.
Ja, es gab bereits fünf Angriffe auf mich. Meine Familie und meine Kinder fragen mich immer wieder, ob ich das alles nicht hinter mir lassen könnte. Aber Gott hat mir diese Aufgabe gegeben. Deshalb kann und werde ich damit nicht aufhören. Jesus gibt mir die nötige Kraft, die ich brauche, um weiterzumachen.
(Das Interview führte Udo Seelhofer für CSI)