Katholikin kämpft gegen das Unrecht

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Lahore – Am 23. November vorigen Jahres geschah das Unerwartete durch ein pakistanisches Anti-Terror-Gericht: Erstmals ist mit der Verhängung von Todesurteilen gegen fünf Islamisten nach einem religiös motivierten Lynchmord Gerechtigkeit geschehen. Diese hatten am 4. November 2014 zur Gewalt gegen Shahzad Masih (28) und seine schwangere Frau Shama Bibi (26) eine Menschenmenge angestachelt. Das Christen-Paar wurde beschuldigt, Seiten aus einer Koran-Ausgabe verbrannt zu haben. Wie Sklaven arbeiteten beide in einer Ziegelei. Der fanatisierte Mob schlug sie und brach ihnen die Beine, sodass sie vor Schmerz nicht mehr aufrecht stehen konnten. Dann wurden sie in einen Ziegelofen gestoßen, in dem beide lebendig verbrannt wurden.
Der Fall sorgte international für großes Aufsehen. Dank der mutigen Menschenrechtsanwältin Aneeqa Anthony (im Bild re.) – die täglich um ihr Leben bangen muss – sind zum ersten Mal seit Einführung des Blasphemie-Gesetzes, Lynchmorde an Christen bestraft worden. Nun vertritt sie auch die Interessen der drei überlebenden Kinder des getöteten Paares, die vor den Fanatikern in Sicherheit gebracht werden konnten. (Das Foto unten zeigt die Wohltäterin mit den kleinen Vollwaisen bei der Bemalung eines Ziegelsteins. Diesen hatte sie im Juni vergangenen Jahres – als Symbol für die zahlreichen in Ziegeleien versklavten Christen in Pakistan – Papst Franziskus in Rom überreicht hat, Anm.) CSI-Österreich traf die Menschenrechtsanwältin.

In letzter Zeit scheint sich das Klima zwischen Muslimen und Christen verschärft zu haben…
Aneeqa Anthony: Lynchmorde allein aufgrund eines Verdachts der Gotteslästerung gab es bereits mehrfach seit Einführung der Blasphemie-Gesetze in den 1980er Jahren. Dann verschlechterte sich das Klima rasant nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Wie man weiß, gehörten die Flugzeugentführer zur islamistischen Al-Qaida-Organisation. Der Westen, sprich die USA, haben daraufhin dieser Terrormiliz den Krieg im benachbarten Afghanistan erklärt und schließlich 2011 deren Anführer Osama bin Laden in seinem pakistanischen Versteck bei Abbottabad erschossen. Nun assoziieren die Islamisten im Land uns Christen mit ihrem nordamerikanischen Erzfeind. Und wir müssen dafür die bittere Zeche bezahlen. Vor rund zwei Jahren wurden mehrere unschuldige Christen sogar öffentlich an Bäumen erhängt – nur ihres Glaubens wegen. Immer mehr Christen konvertieren zum Islam – aus Angst, von einem wütenden Mob umgebracht zu werden.

Auf welcher Seite steht heute die Regierung und was tut sie aktiv zur Terrorismusbekämpfung?  

Aneeqa Anthony mit den drei Kindern gelynchter Christen

Früher hat das pakistanische Militär die Taliban ausgebildet und mit Waffen aus Saudi-Arabien ausgerüstet. Dann begann sich allmählich das Blatt zu wenden. Die Taliban wurden immer mehr und allmählich zur Bedrohung. Mit Hilfe der USA startete dann die Armee seit 2009 verstärkt Militäroffensiven gegen die Taliban. Die massive Rache dafür seitens der islamischen Terrormiliz ereignete sich 2014, als diese eine von der Armee betriebenen Schule in Peshawar stürmten und ein verheerendes Blutbad anrichteten: Dabei starben weit über hundert Menschen, darunter 84 Schüler zwischen 12 und 16 Jahren. Dieser Fall zeigt auch, dass die Regierung nicht in der Lage war, dieses Gebäude entsprechend zu schützen. Ich jedenfalls hoffe sehr, dass es ihr gelingen wird, den Terrorismus in den kommenden fünf Jahren endlich in den Griff zu bekommen.

Ich habe aber gehört, dass es inzwischen schon rund 50 gewaltbereite islamistische Organisationen geben soll, die einen direkten Draht zu den Taliban oder zum sog. „IS“ haben. Stimmt das?
Leider ja! Ihr Einfluss macht sich in vielen örtlichen Moscheen wie eine sich ausbreitende Krake bemerkbar. Etliche Gläubige sind Analphabeten und eine leichte Beute für religiöse Hassprediger. So kann man einen aufgebrachten Mob im Handumdrehen aufstacheln, um Christen und andere unliebsame Personen zu beseitigen.

Gibt es moderate Muslime in Pakistan, die einen gewissen Einfluss – auch zum Schutz der Christen – auf höchster Ebene ausüben?
Es gibt keine gemäßigten Muslime, höchstens solche, die nicht besonders religiös sind. Doch wenn ihr Prophet Mohammed beleidigt wird, dann sehen viele rot!

Gibt es dann für Asia Bibi (die bekannteste Christin, die zu Unrecht wegen Vorwürfe der Blasphemie seit November 2010 zum Tode verurteilt ist, Anm.) noch eine Chance auf Begnadigung?
Das ist ein besonders komplexer Fall. Mehr als 150 Hardliner-Imame fordern ihren Tod durch den Strang, als gerechte Rache dafür, dass ein Anti-Terror-Gericht Mumtaz Qadri (den Leibwächter des  2011 von ihm ermordeten Gouverneurs der Punjab-Provinz, Salmaan Taseer, Anm.)  im Februar 2016 bestraft und erhängt hat. Salmaan Taseer selbst musste mit seinem Leben bezahlen, nur weil er sich für Asia Bibis Freilassung eingesetzt hatte… Daher haben auch Höchstrichter Angst, die Christin freizusprechen. Sie befürchten, von islamistischen Fundamentalisten umgebracht zu werden. Ein großer Schritt vorwärts wäre die Umwandlung der Todesstrafe in lebenslängliche Haft. Im Klartext würde das für Asia bedeuten, dass sie nach 14 Jahren endlich wieder freikäme!
Bangen nicht auch Sie um ihr Leben, Frau Anthony?
Ich bin mir der ständigen Gefahr schon sehr bewusst, doch mein Mann unterstützt mich aktiv in meiner Arbeit. Außerdem fühle ich mich von Gott gelenkt. Er zeigt mir täglich den Weg, den ich, trotz der vielen Hindernisse, unbeirrt gehen muss.

Zur Person:
Die Katholikin Aneeqa Maria Anthony ist 1981 in Lahore geboren. Die Hochbegabte schlug die juristische Laufbahn ein. Als Berufsanfängerin war sie auf dem Weg zu ihrem ersten Mandanten von einem Mob umzingelt worden und nur mit Glück heil davongekommen. Die Menge wollte sie als Anwältin eines angeblichen Gotteslästerers mit Gewalt aufhalten. Noch während ihrer Studienzeit gründete sie ihre eigene Organisation „The Voice Society“ für Angehörige verfolgter religiöser Minderheiten, die rechtlichen Beistand brauchen. Seitdem wurde die 36-Jährige immer wieder mit dem Tode bedroht. 2008 floh sie außer Landes und fand für mehrere Monate Aufnahme in Deutschland im Rahmen des europäischen Schutzprogrammes für Menschenrechtsverteidiger. Kurz darauf kehrte sie in ihr Heimatland zurück, heiratete, bekam zwei Kinder und widmete sich vor Ort wieder ihrer humanitären Tätigkeit.
Im Dezember 2015 wurde eine „Fatwa“ (ein islamisches Rechtsgutachten, Anm.) auf Aneeqa verhängt, die sie für vogelfrei erklärte. Daraufhin musste sie mit ihrer Familie von Versteck zu Versteck ziehen, stets in Angst, von islamistischen Fundamentalisten gelyncht zu werden. Für ihren mutigen Einsatz für die Schwächsten wurde ihr am 25. März dieses Jahres in Frankfurt am Main der Preis der Stephanus-Stiftung für verfolgte Christen verliehen.