Qamishli
Syrien: Gemeinsame Zukunft für Christen und Muslime
Sommer 2022
Im Nordosten Syriens herrscht brüchiger Friede, aber der „Islamische Staat“ ist keine Gefahr mehr. Wer heute in Syrien lebt, kann vorsichtig wieder an eine Zukunft glauben. Vorbei sind die Zeiten, wo jeder das Land verlassen hat, der konnte. Etwa 6,5 Millionen Menschen sind jedoch zu Binnenflüchtlingen geworden, also vertrieben aus ihrem Zuhause, entwurzelt, aber in ihrer Heimat Syrien auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Mehr als sechs Millionen Menschen, die einen Platz zum Leben suchen.
Qamishli ist eine sichere Zone, hier finden viele Christinnen und Christen Zuflucht. Traditionell ist die Stadt eine Hochburg der syrisch-orthodoxen Kirche, die hier einen großen Anteil am Wiederaufbau hat. Schulen entstehen, sogar eine Klinik ist in Betrieb. Wirtschaftlich liegt zwar vieles im Argen, aber langsam erholen sich Infrastruktur und Geschäftsleben.
Der 13-jährige Mohamed Hatroush ist das älteste von drei Kindern. Die muslimische Familie wurde von bewaffneten Milizen aus ihrer Heimat vertrieben. In Qamishli sind sie die Nachbarn der christlichen Familien und wurden offen aufgenommen. Mohamed hilft seinem Vater und verkauft Taschentücher und Kekse auf der Straße. Als er krank wurde, haben ihn christliche Freunde zum CiN-Ärztezentrum gebracht. Seine Blutarmut kann dank der Ernährungsberatung gut behandelt werden.
Versöhnung beginnt im Kleinen: Voller Dankbarkeit sagen die muslimischen Flüchtlinge inzwischen: „Ihr Christen seid barmherzig, mehr als unsere Muslime. Ihr helft auch uns – aber unsere unterstützen nur die Muslime und keine andere Religion.“ So wird im Kleinen das Zusammenleben von Christen und Muslimen zur Normalität. Respekt und Achtung für die christliche Gemeinschaft sind die beste Waffe gegen die Hasspropaganda muslimischer Fundamentalisten.
Peter Afrem ist 15 Jahre alt. Er und seine beiden Brüder (10 und 12 Jahre alt) sind Binnenflüchtlinge. In Qamishli kann die Familie wieder zu hoffen beginnen. Der Vater hat einen Job in einem Café gefunden und bereitet dort die Wasserpfeifen für die Gäste vor. Der Alltag funktioniert recht gut und Dank der christlichen Schule können die Geschwister eine gute Ausbildung erhalten. Peter geht in die neunte Klasse. Eines Tages bekam er auf einmal hohes Fieber. Die Familie war ratlos. Da erzählte ihnen ein Freund von dem kleinen Ärztezentrum, das Christen in Not in Qamishli aufgebaut hat. Dr. Yakoub Youssef behandelt dort kostenlos Familien, die kein Geld für den Arzt haben. Es ist eine Anlaufstelle für die vielen meist christlichen Binnenflüchtlinge. Hier finden sie Erste Hilfe für sich und ihre Kinder. Ohne diese medizinische Grundversorgung könnten sie nicht in Qamishli bleiben. Die Folge wäre eine erneute Wanderung ins Ungewisse oder sie würden in die Hände von Schleppern fallen, die sie unter falschen Versprechungen nach Europa zu schleusen versuchen. Mit der Erste-Hilfe-Ordination gibt es jetzt eine Anlaufstation, die bei kleinen Verletzungen und Erkrankungen hilft. Kostenlos, zuverlässig, mit qualifizierten Ärzten.
Schnell ist die Ursache gefunden. Peter hat Typhus, eine Bakterienerkrankung, die unbehandelt zum Tod führen kann. Mit den richtigen Medikamenten geht es Peter schnell besser und er geht schon wieder in die Schule. Der Nachweis der Bakterien ist mit dem Labor in unserem Ärztezentrum kein Problem. Kommen die Eltern schnell zum Arzt, dann kann die Erkrankung in wenigen Tagen geheilt werden. Doch ein Arztbesuch ist für die in Qamishli gestrandeten Binnenflüchtlinge nicht finanzierbar. Hier setzt CiN mit der Erste-Hilfe-Station ein. Es ist ein unspektakuläres Projekt. Aber es hilft nachhaltig, damit die Familien ein sicheres Zuhause aufbauen können. Vater Afrem weiß jetzt, dass er beruhigt in die Zukunft schauen kann. Typhus ist keine Gefahr mehr. Mit der Arbeit im Café hat er einen sicheren Job gefunden. Das Leben hat die christliche Familie wieder. Auch dank CiN.
Das Ärztezentrum wurde mit der Unterstützung von Cor-Episcopus Dr. Aydin aufgebaut. Zusammen mit dem neuen syrisch-orthodoxen Erzbischof Mor Maurice Amish wird Qamishli wieder zu einem Zentrum christlichen Lebens.