BISCHOF HÄLT GEMEINDE IN ALEPPO ZUSAMMEN
Resümee des Telefongesprächs mit Jean-Clément Jeanbart, Erzbischof von Aleppo
Pia de Simony
„Beendet schnell diesen furchtbaren Krieg, der unsere christlichen Gemeinden ernsthaft bedroht und lasst uns Christen endlich mit unseren muslimischen Nachbarn in Frieden leben, so wie wir es auch vor 2011 getan haben!“ Dieser Hilferuf, an die internationale Gemeinschaft gerichtet, kommt vom melkitischen (mit Rom unierten) Erzbischof von Aleppo, Jean-Clément Jeanbart, einem Mann, der weiß wovon er spricht. Von den rund 160.000 christlichen Bewohnern der Stadt vor Beginn des Krieges sind inzwischen nur noch 60.000 dort.
Die meisten sind ins Ausland geflohen, aus Sorge, dass ihre Kinder eines Tages in ihrem Heimatland gezwungen werden, ihr Dasein unter der Herrschaft eines radikal-islamischen Systems zu fristen. Die Zurückgebliebenen sind verarmte Familien, die Tag und Nacht weiterhin in Furcht leben müssen, von Granaten getroffen zu werden. „Die aus der ganzen Welt nach Syrien geströmten Dschihadisten verbreiten überall Terror“, stellt der Bischof entsetzt fest . „Sie haben schon so viele Unschuldige ermordet: Männer, Frauen und sogar Kinder.“
Durchhalten und auf Frieden hoffen Nun versucht der tatkräftige Helfer in der Not, seine verbliebene Herde so gut es geht, zusammenzuhalten. Die größten Sorgen vor der Zukunft in seiner Gemeinde hätten junge Ehepaare. Einige von ihnen haben erlebt, wie Kinder vor ihren Augen durch Sprenggeschosse getötet wurden. Das hat große Unsicherheit hinterlassen: Sollen sie überhaupt eigene Kinder in die Welt setzen, in der Angst lebend, diese möglicherweise bald wieder zu verlieren? Diese Paare zu überzeugen, allen Widerständen zum Trotz, sich doch für eine Schwangerschaft zu entscheiden, sieht der Erzbischof als eines seiner Hauptanliegen. Mit Erfolg.
„In den letzten Monaten haben bereits 110 gesunde Babys das Licht der Welt erblickt“ – freut sich Jeanbart – „Gerade jetzt, wo sich ein Ende des Krieges am Horizont abzuzeichnen beginnt, sind sie unsere Hoffnungskinder!“ In dieser langwierigen Überbrückungsphase zwischen Krieg und Frieden gilt es noch durchzuhalten und zu helfen. Begleitet von 60 freiwilligen Mitarbeitern seiner Gemeinde, werden junge Mütter schon während ihrer Schwangerschaft finanziell von der melkitischen Erzdiözese unterstützt. Nach der Geburt des Kindes erhalten sie – soweit die Mittel reichen – bis zum vierten Lebensjahr eine weitere monatliche Summe, um dessen Grundbedürfnisse zu sichern. Doch wie lange kann diese Hilfe noch gewährleistet werden?
„Dazu brauchen wir auch dringend Eure Mithilfe aus Europa“, bittet der allseits beliebte Bischof. „Ganz alleine können wir es nicht schaffen“. Seinen Gläubigen gibt er Halt. Sie spüren, dass er sie – auch unter Todesgefahr – nicht im Stich lässt. Seine Gottesdienste in der Hl. Georgskirche von Aleppo sind jeden Sonntag bis zum letzten Platz gefüllt, seine Predigten verleihen Mut und Zuversicht. Schüler und Lehrer mussten evakuiert werden. Wie durch ein Wunder hat sein Gotteshaus bis jetzt die Kriegswirren überstanden, nicht aber zwei Grund- und drei Berufsschulen, die sich in unmittelbarer Nähe des Kampfgebietes befanden. Die Schülerinnen und Schüler mussten kürzlich mit dem gesamten Lehrpersonal evakuiert werden. Neue Räumlichkeiten für den Unterricht wurden mit Mühe gefunden. Nun hofft Erzbischof Jeanbart, seinen Schützlingen mehr Sicherheit als bisher bieten zu können. Der Schule für die Kleinsten hat er den arabischen
Namen „Amal“ – „Hoffnung“ – gegeben. Hoffnung, dass der langjährige Krieg bald ein Ende findet; Hoffnung, dass das bevorstehende Weihnachtsfest endlich den ersehnten Frieden für das kommende Jahr ankündigt.
Zur Person:
Der 1943 in Aleppo geborene Jean-Clément Jeanbart, entstammt einer französischen Handelsfamilie, die sich bereits im 18. Jahrhundert in Syrien niedergelassen hatte. Er hat elf Geschwister. Als Seminarist hat er im Libanon sowie in Jerusalem gelebt, 1968 erfolgt seine Priesterweihe. 1995 wird er von Papst Johannes Paul II. zum Erzbischof seiner melkitischen (griechischkatholischen) Eparchie in Aleppo ernannt. Jeanbart promovierte in Theologie, schloss ein Studium der Philosophie mit dem Lizentiat ab und spricht vier Sprachen.
ZITAT des MONATS zur „Hilfe vor Ort“:
„Hilfe vor Ort ist uns nicht nur ein wichtiges humanitäres Anliegen, sondern leistet, zusammen mit dem ordentlichen Schutz der europäischen Außengrenzen,
einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Bewältigung der Migrationskrise.“
(Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz in seiner Pressemitteilung vom 6.12.16)