Bischof Audo von Aleppo ist vorsichtig optimistisch
Damaskus – Der chaldäisch-katholische Bischof von Aleppo und Präsident der syrischen Caritas, Antoine Audo (im Bild), ist nach einem Kurzaufenthalt in Genf – wo sich UNO-Sonderbeauftragter Staffan de Mistura um eine Syrien-Lösung bemüht – vorsichtig optimistisch.

Bischof Antoine Audo

Bild: © AFP

Im Gespräch mit „Radio Vatikan“ sagte der Bischof: „Für uns ist allein schon die Tatsache, dass sich da auf internationaler Ebene etwas tut, eine sehr positive Sache, die uns Hoffnung macht, auch wenn ich nicht weiß, zu welchem Ergebnis das führen kann. Die zweite wichtige Sache ist, dass wir in Syrien selbst eine leichte Verbesserung erleben: Es gibt in Aleppo wieder – wenn auch beschränkt – Wasser und Strom, und es fallen im Moment keine Bomben. Das ist ein bisschen neu für uns, und auch das macht den Leuten Hoffnung“.
Allerdings bleibt die Lage in Syrien heikel, manche sprechen von „eingefrorenem Krieg“. Audo: „Keiner kann garantieren, dass sich die Tendenz wirklich umgekehrt hat. Es ist eine Sache, die gerade erst anfängt, aber wenn es nicht zu einer klaren Vereinbarung, zu einer politischen Lösung kommt, dann werden die Leute auch künftig das Land verlassen wollen“.
Die eigentliche Lösung würde darin bestehen, „Frieden herzustellen und den Leuten zu helfen, wieder in ihre eigenen Länder zurückzukehren“

Wer kann, hat Syrien längst verlassen; vor allem die Alten, die Schwachen, die Armen, die Kranken sind noch da. Bischof Audo will auf jeden Fall in Aleppo ausharren. Wenn er Nachrichten über die Flüchtlingskrise in Europa hört, dann hat er gemischte Gefühle: „Ich habe immer gesagt: Die Lösung besteht nicht darin, dass man diese Menschen aufnimmt oder nicht aufnimmt. Die eigentliche Lösung würde darin bestehen, Frieden herzustellen und den Leuten zu helfen, wieder in ihre eigenen Länder zurückzukehren, damit sie dort leben können. Um das nötige Vertrauen zu schaffen, muss man jetzt auf eine politische Entscheidung warten: eine Entscheidung, die hoffentlich nicht zur Zerstörung Syriens führt, indem aus wirtschaftlichen oder strategischen Interessen heraus, auf internationalem und regionalem Level, diesen bewaffneten Gruppen geholfen wird“.

Skepsis um „Völkermord“-Begriff
Wie viele Kirchenleute in Syrien befürchtet auch Bischof Audo nach wie vor ein doppeltes Spiel der großen Mächte in Sachen Syrien. Auch eine im Grunde positive Entscheidung wie die der US-Regierung, die Christenverfolgung durch die IS-Terroristen als „Völkermord“ einzustufen, wird auf Hintergedanken abgeklopft. „Die Großmächte sollten ehrlich zu sich selbst sein“ – so Audo. „Sie sollten nicht falsche Diplomatie betreiben, indem sie über die christlichen Minderheiten weinen, wenn sie gleichzeitig alles tun, um sie aus Syrien zu entfernen!“ Spricht man den Bischof auf den von den USA verwendeten „Völkermord“-Begriff an, antwortet er knapp: „Solange Hoffnung auf eine politische Lösung besteht, gibt es weniger Gefahr. Aber ohne eine politische Lösung für Syrien werden diese Leute weiter Waffen und Geld bekommen, und dann wird es wieder Gefahr für die Minderheiten, vor allem für die Christen, geben“. Mit dem Begriff „diese Leute“ meint der Oberhirte die Dschihadisten, die nach seiner Überzeugung Unterstützung aus dem Ausland, etwa aus Saudiarabien und den Golfstaaten, erhalten. Wenn er von Syrien redet, zieht er vor, nicht von „Verfolgung von Christen durch Muslime“ zu sprechen. Das sei nicht die wirkliche Geschichte der Christen in Syrien: „Die wirkliche Ursache besteht darin, dass diese bewaffneten Gruppen dazu angestiftet werden, Christen anzugreifen. Warum? Das sollte man sich fragen: Warum? Um das Land zu destabilisieren, sodass man sagen kann, es gebe keine Lösung. Das ist das Problem“. (poi)

„Die Menschen ertragen nach fünf Jahren keinen Krieg mehr!“
Die Syrien-Krise begann vor fünf Jahren – am 15. März 2011 – mit Demonstrationen gegen die Regierung von Bashar al-Assad. Fünf Jahre später ist die Bilanz vernichtend: mehr als 270.000 Todesopfer, mindestens die Hälfte der Bevölkerung ist zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen, das einst friedliche Land ist auf weite Strecken verwüstet. Was die Situation für die Christen bedeutet, schildert der in Aleppo tätige Franziskanerpater Ibrahim al-Sabagh im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „Zenit“. Im Hinblick auf die Waffenruhe meinte der Mönch wörtlich: „In den vergangenen Tagen wurden verschiedene Gebiete in der Stadt mit Wasser versorgt. Das ist für uns ein großes Zeichen der Hoffnung nach mehr als 50 Tagen ohne Wasserversorgung. Elektrizität ist für ein paar Stunden am Tag vorhanden: Das ist ein großer Erfolg nach fünf Monaten des Abgeschnittenseins. Allerdings erhoffen wir uns eine längere und friedliche Waffenruhe. Die Menschen leiden seit mehr als fünf Jahren und ertragen es nicht mehr“. (zenit)