IGFM: Konvertiten, Aramäer und Armenier werden als „untürkisch“ ausgegrenzt

Ankara – Das Ergebnis der türkischen Präsidentenwahl hat in Deutschland unter Politikern und Menschenrechtlern besorgte Reaktionen ausgelöst. Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan kam in der Türkei auf 52,6 Prozent der Stimmen. In Deutschland erzielte er ein noch besseres Resultat: Nach Auszählung von fast 80 Prozent der abgegebenen Stimmen kam er auf 65,7 Prozent. Seine Anhänger feierten in der Nacht zum 25. Juni auch auf Deutschlands Straßen etwa mit Autokorsos. Der frühere Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, schrieb auf Twitter: „Seien wir ehrlich zu uns: Die feiernden deutsch-türkischen Erdogan Anhänger feiern nicht nur ihren Alleinherrscher, sondern drücken damit zugleich ihre Ablehnung unserer liberalen Demokratie aus. Wie die AfD eben. Muss uns beschäftigen.“ Der Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM/Frankfurt am Main), Martin Lessenthin, sagte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, dass Özdemir „leider“ recht habe. Der Grünen-Politiker habe immer vor dem absoluten Machtstreben Erdogans gewarnt: „Gerade die in Deutschland lebenden Wähler Erdogans und der nationalistisch-islamischen AKP/MHP-Koalition müssten die liberale Demokratie mehr schätzen, anstatt blind Erdogan zu folgen.“

Viele Deutschtürken wünschen sich einen „starken islamischen Führer“

Obwohl die Deutschtürken Lessenthin zufolge die demokratischen Werte in Deutschland kennen, scheinen bei vielen die Bemühungen um echte Integration erfolglos: „Ihre Religion und der Wunsch nach einem starken islamischen Führer ist vielen ,Deutschtürken’ wichtiger als Demokratie und Menschenrechte.“ Das sei für die „pluralistische und säkulare Gesellschaft“ in Deutschland sowie für die Gleichberechtigung von Mann und Frau eine Gefahr: „Wir alle müssen uns noch stärker um Wertevermittlung und Integration bemühen.“ Lessenthin zufolge dürfte die Lage der Christen und anderer Minderheiten in der Türkei nun noch schwieriger werden. Zum Christentum übergetretene Ex-Muslime sowie „ethnische Christen“ – Aramäer und Armenier – würden als „untürkisch“ ausgegrenzt.

Gesellschaft für bedrohte Völker: AKP ist eine islamistische Partei

Der Nahostreferent der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ (Göttingen), Kamal Sido, warnte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea vor einem naiven Umgang mit Erdogan und seiner Regierungspartei AKP in Deutschland: „Den Islamismus oder den politischen Islam gibt es grundsätzlich nur in seiner radikalen Form. Die AKP ist eine islamistische Partei. Sie will die Scharia einführen und die Glaubensfreiheit weiter einschränken.“ Deswegen sollten die deutschen Parteien und die Bundesregierung stärker Kontakte zu den demokratischen Kräften des Landes aufbauen: „Warum lädt nicht Bundeskanzlerin Merkel Vertreter der oppositionellen HDP einmal demonstrativ ins Bundeskanzleramt ein?.“ Er rief ferner dazu auf, die deutschen Zahlen genau zu analysieren. Es habe nur etwa die Hälfte der Wahlberechtigten abgestimmt. Die stellvertretende Fraktionschefin der Partei „Die Linke“, Sevim Dağdelen, kritisierte den Ablauf der Präsidenten- und Parlamentswahlen. Sie seien „weder frei noch fair“ gewesen, sagte die Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag. (Quelle: idea)